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„Schnelligkeit ist erlernbar“ – Carsten Effertz über modernes Schnelligkeitstraining im Fußball

In diesem Interview sprechen wir mit Carsten Effertz, einem der renommiertesten Experten für Schnelligkeit im Fußball. Er beleuchtet die Bedeutung von Tempo im modernen Spiel, räumt mit gängigen Mythen auf und gibt wertvolle Einblicke in Technik, Trainingsmethoden und mentale Faktoren.

Wie wird man eigentlich Schnelligkeitstrainer?
Es gibt keine klassische Ausbildung dafür – wie etwa eine UEFA- oder FIFA-Lizenz für Fußballtrainer. Vieles basiert auf Erfahrung. Hans Tanner, der Gründer von Tanner Speed, war früher Nationaltrainer der Schweizer Hochspringer und wechselte dann zur Fußballakademie des FC Zürich. Ich selbst habe auf Akademie-Niveau Fußball gespielt und war als Jugendlicher Hochspringer. Aus dieser Kombination entstand meine Leidenschaft für Schnelligkeitstraining.

Warum ist Schnelligkeit im Fußball so entscheidend?
Jeder Bewegungsablauf im heutigen Spiel steht unter Zeitdruck. Es geht nicht nur ums Laufen – auch die Entscheidungsfindung muss schnell ablaufen. Diese Fähigkeiten lassen sich gezielt trainieren. Ein einfaches Beispiel: Wenn du auf 10 Metern nur 0,1 Sekunden schneller bist als dein Gegner, liegst du fast 60 cm vorn – das kann der Unterschied sein zwischen einem Torschuss oder einem erfolgreichen Tackling.

Was sind häufige Irrtümer im Schnelligkeitstraining?
Viele glauben: „Entweder man ist schnell oder nicht.“ Aber Laufen ist eine erlernbare Fähigkeit – genau wie Passen. Natürlich wird nicht jeder so schnell wie Mbappé, aber mit verbesserter Lauftechnik kann jeder sein persönliches Maximum erreichen – und das ist der Schlüssel.

Was sind die Grundbausteine für ein effektives Speedtraining im Fußball?
Frequenz (also Schrittfrequenz) und reaktive Kraft – beides braucht gute Koordination. Es geht darum, die Elastizität von Muskel und Sehne optimal zu nutzen. Dafür muss der Körper vorbereitet sein, um explosiv aktivieren zu können.

Schnelligkeitstraining im Fußball

Heißt das, dass im Fußball hohe Frequenz wichtiger ist als große Schritte?
Absolut. Ein gutes Beispiel ist Usain Bolt. Er hat versucht, Fußballprofi zu werden – aber er war zu langsam für das Spiel. Klingt paradox, aber Sprinter wie er machen wenige, lange Schritte. Im Fußball brauchst du viele, schnelle Richtungswechsel auf engem Raum. Genau deshalb trainieren wir gezielt auf Frequenz.

Spielen Gene eine große Rolle oder kann man Schnelligkeit wirklich verbessern?
Genetik ist ein Teil – ja. Wer viele schnelle Muskelfasern hat, bringt gute Voraussetzungen mit. Aber ohne Technik und Koordination bringt das wenig. Sonst ist das Verletzungsrisiko hoch. Schnelligkeit muss sauber trainiert und vorbereitet sein.

Was sind typische Fehler, die du im Training immer wieder siehst?
Der größte Fehler: Spieler landen auf der Ferse. Wer die Ferse zuerst aufsetzt, verliert Geschwindigkeit und Effizienz. Schau dir Spieler wie Mbappé oder Vinicius Jr. an – sie landen immer auf dem Vorfuß. Nur so kannst du dich explosiv nach vorne abstoßen.

Wie messt ihr Fortschritte im Speedtraining?
Bei uns in der Academy testen wir mit unterschiedlichen Methoden – von linearen Sprints bis zu Richtungswechsel-Tests. Mit dem Speed Court messen wir Reaktionszeit, Beweglichkeit und Entscheidungsverhalten. Auf Basis dieser Werte erstellen wir individuelle Trainingspläne und testen regelmäßig zur Erfolgskontrolle.

Es bringt nichts, wenn ein 14-Jähriger Kniebeugen mit 80 kg macht, aber nicht weiß, wie er seine Füße bei einem Richtungswechsel stabil hält.

Carsten Effertz

Wie hat sich das Spieltempo im Fußball verändert?
Extrem. Je höher das Niveau, desto schneller das Spiel. In der Premier League oder bei der WM sieht man, dass Spieler ständig in hohen Geschwindigkeiten agieren. Bellingham z. B. sprintete in einem Spiel 87-mal – das ist fast ein Sprint pro Minute. Tempo ist heute ein Muss.

Was rätst du jungen Spielern, die ihre Schnelligkeit verbessern wollen?
Fokus auf Koordination statt Kraft! Wer sich gut koordiniert bewegen kann, ist automatisch schneller. Dazu kommt die Fußkraft – barfußes Training ist hier sehr effektiv. So können sich die kleinen Muskeln besser entwickeln, was wiederum deine Gesamtbeweglichkeit verbessert.

Was sind für dich die Basics, die ein gutes Schnelligkeitstraining für junge Spieler ausmachen?
Die Grundlage ist immer die Bewegungsqualität. Bevor wir an Sprintzeiten denken, schauen wir auf Bewegungsmuster, Koordination und Timing. Kinder müssen lernen, die richtigen Muskeln im richtigen Moment zu aktivieren – schnell und möglichst effizient. Erst wenn diese Basics sitzen, macht intensives Schnelligkeitstraining Sinn. Die Laufkoordination ist die Basis für Schnelligkeit im Sport.

Warum wird Schnelligkeitstraining im Nachwuchs deiner Meinung nach so oft falsch angegangen?
Weil viele das Thema oftmals viel zu spät und dann auch noch technisch falsch angehen. Oft wird Schnelligkeit mit „einfach Sprinten“ verwechselt – aber Sprints ohne System machen dich nicht schneller. Es fehlt häufig an einer langfristigen Idee, an Struktur und an der Geduld, technische Defizite frühzeitig zu korrigieren. Schnelligkeit ist nicht angeboren – sie ist erlernbar. Aber nicht durch Copy-Paste-Drills oder isolierte Sprintstrecken, sondern durch gezielte, altersgerechte Entwicklung.

Schnelligkeitstraining im Fußball

Warum wird Krafttraining im Nachwuchs aus deiner Sicht so überschätzt?
Weil es oft als Allheilmittel für Schnelligkeit dargestellt wird. Klar, Kraft ist wichtig – aber nicht isoliert betrachtet. Es bringt nichts, wenn ein 14-Jähriger Kniebeugen mit 80 kg macht, aber nicht weiß, wie er seine Füße bei einem Richtungswechsel stabil hält. Die meiste Schnelligkeit kommt nicht aus reiner Kraft, sondern aus reaktiver Kraft, Koordination und effizientem Bewegungsfluss. Ein junger Spieler wie Yamal ist nicht wegen seiner Kraftwerte auf dieses Niveau gekommen, sondern unter anderem weil er sich schnell und effizient bewegen kann.

Wie unterscheidest du zwischen allgemeiner Athletik und fußballspezifischer Schnelligkeit?
Allgemeine Athletik ist das Fundament – sie betrifft Koordination, Mobilität, Stabilität, Körperkontrolle. Fußballerische Schnelligkeit ist die Anwendung: Wie schnell kann ich mit Ball beschleunigen? Wie reagiere ich auf ein gegnerisches Pressing? Wie effizient ist mein erster Kontakt in vollem Tempo? Schnelligkeit im Fußball ist immer situativ – deshalb müssen Übungen Spielnähe haben. Aber ohne gute allgemeine Athletik wird’s keine stabile Basis geben.

In der Saisonvorbereitung liegt der Fokus oft auf Kondition und Kraft – wie sollte deiner Meinung nach Schnelligkeitstraining in dieser Phase eingebaut werden?
Schnelligkeit ist kein Add-on, das man am Ende dazupackt – sie muss integraler Bestandteil der Planung sein. In der Saisonvorbereitung ist die Verletzungsgefahr hoch, weil viele Spieler in kurzer Zeit hohe Volumen fahren. Genau deshalb ist gezieltes, dosiertes Schnelligkeitstraining so wichtig – nicht nur zur Leistungsentwicklung, sondern auch zur Prävention. Wir arbeiten hier mit niedrigen Volumen, hoher Qualität und gezielten Reizen – eingebettet in Spielformen und Technikelemente.

Welche Veränderungen hast du bei deinen Spielern, zum Beispiel beim IFK Göteborg, durch das Training konkret beobachtet – körperlich, technisch, mental?
Körperlich sehen wir schnell verbesserte Laufmechanik, bessere Antritts- und Sprintwerte, vor allem aber mehr Kontrolle im hohen Tempo. Technisch merkt man, dass die Spieler unter Druck ruhiger und effizienter agieren – weil sie stabiler stehen und sich besser bewegen. Mental ist es spannend: Wer sich schneller fühlt, spielt auch mutiger. Viele berichten von mehr Selbstvertrauen – sie trauen sich mehr zu, weil sie spüren, dass sie körperlich einen Schritt voraus sind.

Für unsere deutschen Leser, gibst du bald auch wieder Seminare in Deutschland?
Ja – ich freue mich sehr, dass ich im Rahmen der BDFL-Seminarreihe wieder als Referent dabei bin. Es wird insgesamt drei Online-Seminare geben, bei denen ich vor allem auf moderne Schnelligkeitsentwicklung im Fußball eingehe – von der Analyse über die Methodik bis zur Umsetzung im Teamtraining. Termine und Anmeldung findet ihr direkt über den BDFL.

Ein herzliches Dankeschön an Carsten Effertz von der Tanner Speed Academy für das offene, spannende Gespräch und die wertvollen Einblicke in seine Arbeit!

Wer mehr über Tanner Speed erfahren möchte dem empfehlen wir folgende Links


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