Seit August 2024 ist Steven Turek U18-Trainer beim amerikanischen MLS-Club Atlanta United. Im Interview spricht der langjährige Autor des IFJ über seinen Wechsel in die USA, die Herausforderungen seiner neuen Aufgabe und das Leben in einem fußballbegeisterten Land im Aufbruch.
Hallo Steven, herzlichen Glückwunsch zu deiner neuen Stelle bei Atlanta United! Wie kam es dazu?
Vielen Dank! Gegen Ende meiner Zeit bei Hannover 96 hatte ich das Bedürfnis, etwas völlig Neues zu erleben. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie das konkret aussehen sollte. Der entscheidende Impuls kam durch eine Hospitation bei Los Angeles FC, wo mir mein ehemaliger Kollege Steven Cherundolo eine Woche lang wertvolle Einblicke ermöglichte. Nach meiner Rückkehr wuchs in mir der Gedanke: Wie cool wäre es eigentlich, in der MLS zu arbeiten?

Was genau hat dich an der MLS gereizt?
Da kamen mehrere Faktoren zusammen. Fußball ist in den USA enorm im Aufschwung. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, und das spiegelt sich in massiven Investitionen wider – moderne Trainingszentren, professionelle Strukturen und eine beeindruckende Entwicklung. Dazu kommen die Klub-WM 2025 und die Weltmeisterschaft 2026. Und über den Messi-Hype haben wir da noch gar nicht gesprochen! All das führte zu dem Gedanken: Es wäre ein Traum, irgendwann in einem solchen Umfeld zu arbeiten.
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Und aus „irgendwann“ wurde dann sehr schnell Realität. Wie kam dein Wechsel nach Atlanta konkret zustande?
Ein großer Vorteil in den USA ist, dass viele Trainerstellen offiziell ausgeschrieben werden. Ich konnte mich also regulär bewerben. Nach drei intensiven Bewerbungsrunden – darunter Interviews und die Ausarbeitung eines Projekts – bekam ich Anfang August den Anruf: „Willst du nach Atlanta kommen?“ In diesem Moment ging ein Traum in Erfüllung, von dem ich noch ein Jahr zuvor nicht einmal wusste, dass ich ihn hatte.
Ich habe mir einen Traum erfüllt, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn habe
Steven Turek
Das klingt spannend! Erzähl uns von deinem Alltag: Wie sieht das Training aus? Arbeitest du mit vielen Europäern zusammen?
Der Großteil meiner Kollegen kommt aus den USA, aber mein direkter Vorgesetzter ist Spanier und war früher Nachwuchsleiter bei Real Madrid. Hier wird gezielt Expertise aus unterschiedlichen Kulturen eingebunden.
Was den Trainingsalltag angeht, gibt es kaum Unterschiede zu Deutschland. Mein Job ist es, die Spieler weiterzuentwickeln und möglichst Talente für die erste Mannschaft aufzubauen. Die organisatorischen Rahmenbedingungen sind allerdings anders: Wir trainieren morgens um 9 Uhr, die Spieler bekommen Frühstück und nach dem Training eine Mahlzeit.
Die Schule passt sich flexibel an den Trainingsplan an, ohne dass die Bildung darunter leidet. Ab Sommer können wir sogar 40 Spielern ermöglichen, direkt auf unserem Vereinsgelände unterrichtet zu werden. In Deutschland hingegen haben viele Talente bereits einen Zehn-Stunden-Tag hinter sich, bevor sie ins Training kommen.

Die USA sind deutlich größer als Deutschland. Wie wirken sich die Distanzen auf die Spieltage aus?
Ich sage immer scherzhaft: Die Reisezeiten sind ähnlich wie in der ehemaligen Junioren-Bundesliga Nord/Nordost – nur dass wir, anstatt drei Stunden mit dem Bus nach Berlin zu fahren, jetzt drei Stunden nach New York oder Boston fliegen. Das klingt ungewohnt, aber die Abläufe sind im Grunde dieselben. Unsere Liga ist regional aufgeteilt, sodass wir meistens gegen Teams aus New York, Toronto, Boston, Washington oder Miami spielen.
Größere Events bringen uns dann auch gegen Mannschaften aus der anderen Conference, wie Los Angeles oder Seattle. Alle Spiele zählen für die regionale Tabelle, und je besser man dort steht, desto stärkere Gegner bekommt man bei diesen Turnieren. Dadurch entsteht ein ständiger Wettkampf auf hohem Niveau – ohne die Gefahr eines Abstiegs.
Welche weiteren Unterschiede fallen dir für dich als Trainer im Vergleich zu Deutschland auf?
Das Wetter! (lacht) Ende Januar haben wir hier fast 20 Grad, das sorgt natürlich für beste Laune.
Ein weiterer großer Unterschied ist die professionelle Infrastruktur. Atlanta United gehört zu einer Organisation, zu der auch das NFL-Team Atlanta Falcons und weitere Unternehmen gehören. Das merkt man im Alltag stark: Unser Trainingsgelände wird aktuell erweitert, und es ist selbstverständlich, dass wir Events im Stadion besuchen oder mit anderen Teams im Austausch stehen.
Alles ist bei uns unter einem Dach vom Sport bis hin zum Marketing, beim Mittagessen sitzt man draußen auf der Terrasse, schaut dem Profitraining zu und trifft jeden Tag neue Leute. Das macht unglaublich viel Spaß!
Für unsere Spieler gibt es zudem schnelle Möglichkeiten, mal mit den Profis zu trainieren. Das ist hier viel selbstverständlicher als in Deutschland, da unser Training bereits morgens stattfindet.

Hast du zum Abschluss eine Anekdote aus deinem Alltag in den USA?
Da ist in den letzten Monaten schon einiges passiert! Ein riesiger Leguan in Miami, der seelenruhig am Spielfeldrand unser Spiel verfolgt hat. Eine Landung im Mondschein über New York, die einfach magisch war. Und bevor ich in der Wüste bei Los Angeles wandern ging, wurde ich erst einmal vor Klapperschlangen gewarnt. Es bleibt auf jeden Fall spannend!
Vielen Dank für deine Zeit und weiterhin viel Erfolg!
Von Steven Turek sind zahlreiche Fußballfachbücher und Seminare beim Institut für Jugendfußball erschienen.
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