Der Schlüssel zur Talentförderung: Effektives Coaching im Jugendfußball

Eine effektive Förderung junger Spieler erfordert weit mehr als nur das Lehren von Techniken und Taktiken; es erfordert ein tiefes Verständnis für die Kunst des Coachings sowohl auf als auch neben dem Spielfeld. Fabian Seeger, der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) des FC St. Pauli, bringt seine umfassende Erfahrung und Einsichten in diese facettenreiche Rolle ein.

Als anerkannter Experte auf diesem Gebiet und Referent beim diesjährigen Derbystar Fußballtrainer-Kongress, teilt Seeger seine Perspektive auf die elementaren Aspekte des Coachings. Er beleuchtet, wie alle Kommunikations- und Betreuungsmaßnahmen des Trainers zusammenspielen, um die Leistung der Spieler zu optimieren und sie nicht nur zu besseren Athleten, sondern auch zu ganzheitlichen Persönlichkeiten zu formen. Diese Einleitung führt uns in die Welt des professionellen Jugendcoachings ein, wo die Entwicklung von Talenten weit über das Spielfeld hinausgeht.

Der Trainer ist einer der größten Einflussfaktoren auf die Talententwicklung. Der Umgang mit den Kindern im Sinne des Coachings auf und neben dem Platz ist entsprechend elementar. Unter Coaching werden alle Kommunikations- und Betreuungsmaßnahmen des Trainers verstanden, die zu einer Leistungsoptimierung des Talents im Training und Spiel führen sollen. Der Coach fungiert als Gestalter von Lernprozessen und Vermittler fußballspezifischer Inhalte und Details.

Fußballspezifische Coaching-Maßnahmen

Coaching umfasst diverse Maßnahmen, welche nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind. Im Folgenden wird eine Übersicht verschiedener Coaching-Maßnahmen dargestellt.

• Demonstration eines Bewegungsablaufs oder einer Technik
  Der Coach macht etwas vor und die Spieler machen es nach (Lernen am Modell).
• Korrigieren von technisch-taktischen Abläufen
  Der Coach gibt Feedback und setzt einen Selbst-Reflektionsprozess in Gang.
• Kritisieren in Form von Lob oder Tadel zu gezeigtem Verhalten
  Der Coach verstärkt (Lob) oder hemmt (Tadel) das Spielerverhalten.
• Sprachregulation als Coaching-Tool
  Der Coach reguliert seine Maßnahmen über die Sprachauswahl.
• Erklärung von Trainingsformen
  Der Coach erklärt Abläufe und Regeln von Übungs- oder Spielformen.
• Simultan-Erklären von Trainingsformen
  Der Coach verbessert Abläufe und Regeln während die Übungs- oder Spielformen laufen.
• Simultan-Coaching von Verhaltensweisen
  Der Coach lobt, tadelt, bestärkt, motiviert, steuert oder korrigiert, während der Ball läuft.
• Einfrieren von Spielsituationen
  Der Coach stoppt die Trainingsabläufe und korrigiert, während der Ball ruht.
• Ergebnissicherung nach der Trainingsform
  Der Coach sichert mit der Gruppe die zuvor erarbeiteten Ergebnisse.
• Handwerkzeuge des Trainers als Grundlage
  Der Coach steuert Feldgrößen, Tore, Spieleranzahl und Regeln gemäß der Trainingsziele.
• Organisation als Basis
  Der Coach optimiert Trainingsformen und Trainingsabläufe (z.B. Bio-Banding der Teams).

Motivationales Coaching

Coaching ist eng mit Motivation verbunden. Motivation wird vom Trainer durch das Coaching entwickelt. Im Fußballkontext kann grundlegend dauerhafte Motivation und Freude am Fußballspielen als Ziel gesetzt werden. Auf der einen Seite kann der Trainer durch Belohnung oder Bestrafung extrinsische Reize setzen. Diese nicht-selbstbestimmte Motivation erlischt häufig beim Wegfall der extrinsischen Motivationsquelle und ist daher nicht nachhaltig.

Für mich gibt es mit Blick auf das Coaching zwei entscheidende Gegensätze: Auf der einen Seite Struktur, Planung und Konzept, auf der anderen Bauchgefühl, Spontanität und Intuition.

Fabian Seeger im Interview mit fcstpauli.com

Wesentlich ganzheitlicher wäre das Erzeugen von intrinsischer Motivation. Von intrinsischer Motivation spricht man, wenn die Spieler selbstbestimmt handeln. Selbstbestimmte Motivation hilft auf dem Weg in die Erwachsenenwelt und kann auch, auf Fußball bezogen, dafür sorgen, dass Spieler Eigenverantwortung übernehmen und selbstständig gute Entscheidungen treffen. Selbstbestimmte Motivation kann gefördert werden, indem die drei psychologischen Basisbedürfnisse: Kompetenzempfinden, Autonomie und soziale Eingebundenheit erfüllt werden.

• Kompetenzempfinden bedeutet, dass die Spieler das Gefühl haben, Ziele effektiv und effizient verfolgen zu können.
• Autonomie bedeutet, dass die Spieler das Gefühl haben, eigenständig das Handeln beeinflussen zu können und darüber hinaus im Einklang mit ihren eigenen Werten handeln.
• Soziale Eingebundenheit bedeutet, dass die Spieler sich zugehörig zu anderen Personen oder Gruppen fühlen können.

Wenn alle drei Basisbedürfnisse erfüllt sind, dann kann eine hohe selbstbestimmte Motivation erreicht werden. Ein optimaler Coaching-Stil kann zur simultanen Befriedigung der drei psychologischen Basisbedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit beitragen. Laut der Selbstbestimmungstheorie fördert die Befriedigung dieser Basisbedürfnisse eine selbstbestimmte Motivation bei Sportlern, die sich wiederum positiv auf deren Kognition, Emotion und Verhalten auswirkt.

Motivationale Coaching-Maßnahmen

Coaching-Maßnahmen, die auf selbstbestimmte Motivation abzielen, orientieren sich an den Bedürfnissen der Spieler. Folgende Maßnahmen können konkret genutzt werden, um die drei Basisbedürfnisse zu befriedigen.

• Generierung von vielen Wahlmöglichkeiten
• Begründung der Trainingsschwerpunkte
• Empathie und Wissen über die Gefühle des Athleten
• Zulassen von unabhängigem Handeln
• Initiative ermöglichen und Entscheidungen abgeben
• Kompetenzorientiertes Feedback
• Bilden von Kleingruppen und Lernpartner

Coaching aus Spielerperspektive

Die Orientierung an den Bedürfnissen der Spieler bedeutet, dass die Spielerperspektive berücksichtigt wird. Es ist entscheidend, wie das Coaching-Verhalten auf der Seite der Spieler wahrgenommen wird. Entsprechend kann es sehr hilfreich sein, die Adressaten der Coaching-Maßnahmen zu Wort kommen zu lassen und zu erfragen, wie das Coaching-Verhalten wahrgenommen wird. Folgende Aussagen können eine Orientierung geben, wie es möglich ist, qualitatives Feedback von den Spielern zum eigenen Coaching-Verhalten zu erhalten.

Die Spieler “feedbacken“ die nachfolgenden Aussagen mit (trifft voll zu/trifft zu/trifft kaum zu/trifft nie zu).

• Mein Trainer bietet mir Entscheidungsmöglichkeiten und Wahloptionen.
• Ich fühle mich von meinem Trainer verstanden.
• Ich kann mit meinem Trainer offen über sportliche Themen sprechen.
• Mein Trainer vermittelt mir Selbstvertrauen in meine sportlichen Fähigkeiten.
• Ich habe das Gefühl, dass mein Trainer mich akzeptiert.
• Mein Trainer stellt sicher, dass ich die Aufgaben verstanden habe.
• Mein Trainer ermutigt mich, Fragen zu stellen.
• Ich habe großes Vertrauen in meinen Trainer.
• Mein Trainer beantwortet meine Fragen vollständig und sorgfältig.
• Mein Trainer zeigt Interesse daran, wie ich Dinge tun würde.
• Mein Trainer geht mit den Emotionen der Spieler gut um.
• Ich habe das Gefühl, dass mein Trainer sich für mich als Person interessiert.
• Ich fühle mich mit der Art gut, in der mein Trainer mit mir spricht.
• Mein Trainer versucht, meine Sicht der Dinge zu verstehen.
• Ich fühle mich dazu in der Lage, meine Gefühle mit meinem Trainer zu teilen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rolle des Trainers weit über die reine Wissensvermittlung hinausgeht. Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der junge Talente nicht nur fußballerisch, sondern auch persönlich wachsen können. Durch eine Kombination aus technischem Training, motivierendem Coaching und der Förderung von Selbstreflexion und Eigenverantwortung können Spieler ihr volles Potenzial entfalten. Die Erkenntnisse und Ansätze unterstreichen die Bedeutung eines ganzheitlichen Coaching-Ansatzes, der sowohl auf als auch neben dem Platz angewendet wird, um die nächste Generation von Fußballtalenten optimal zu unterstützen.

Wer mehr zu diesem spannenden erfahren möchte, dem empfehlen wir das Buch „Leistungsoptimierung im Fußballtraining – Trainingsprinzipien & Motivierendes Coaching“ von Fabian Seeger, er ist ebenfalls auf dem diesjährigen Derbystar Fußballtrainer-Kongress als Referent zu Gast, Tickets gibt es hier!